Schreiben

Samstag, 15. September 2007

Der Anfang eines 1. Kapitels (meine G6)

Der Prolog weiter vorne steht übrigens - Überraschung - vor diesem Kapitel .. ;-)

„Du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst? Jean-Marie meint es ernst, das weißt du, ja? Dein Französisch ist gut und Toulouse ist wunderschön. Und dass wir genug Arbeit für dich haben, kannst du dir vorstellen ...“ Christel Duffort legte einen weiteren Kleiderstapel in den Koffer.
„Tante Tinni, bitte! Ihr möchtet mir helfen, aber ich will es alleine schaffen. Es haben sich immer andere um mich kümmern müssen.“
„Kümmern müssen? Unsinn! Du warst doch noch ein Kind und weder ich noch Lady Asquith oder gar dein Vater haben dich als Last empfunden.“
Emma reichte ihr die zusammengerollten Leinenhemden und liess sich neben den Koffer auf das Bett sinken. „Möchtest du mir noch einmal einen Vortrag halten?“
„Ja, das will ich. Ich finde es nicht passend, dass du alleine wohnst und dein Geld als Tippmamsell verdienst. Jaja, ich weiß, die jungen Frauen heutzutage tragen kurze Röcke, verdienen ihr eigenes Geld und flirten anstatt sich zu verloben. Aber so bist du nicht.“
„Vielleicht wäre ich gerne so? Ich möchte nicht wieder weg. Ich bin hier geboren, ich besitze dieses Haus, und ich habe eine Arbeit gefunden, die mir Spaß macht. Außerdem bin ich weder leichtlebig noch dumm. Weshalb solltest du dir Sorgen machen?“
„Du bist hübsch und allein, das ist Grund genug, um mich zu sorgen. Kannst du das nicht verstehen? Siehst du nicht, wie schwer du es dir machst?“
„Traust du mir gar nichts zu?“
„Doch, Kind, aber es kommt alles so schnell und du weißt doch kaum, wie man ein Ei kocht oder die Gasrechnung bezahlt oder ...“
„Zeit, dass ich es lerne! Wenn ich es nicht schaffe, dann werde ich zu euch kommen, ich verspreche es. Du musst dir keine Sorgen um mich machen, bestimmt nicht.“
Christel seufzte und strich Emma über die roten Locken, als Jean-Maries Bass durch das Haus drang: „Allez, allez, Essen ist auf dem Tisch!“
„Hopp, beeil dich, der General wird etwas Besonderes zum Abschied gekocht haben.“

Das Essen war köstlich gewesen; Jean-Marie verstand sein Handwerk. Der Duft der provenzalischen Kräuter seiner Heimat lag noch in der Luft. Emma zog ihn tief ein. „Deine Gäste haben es gut, Jean-Marie. Ich werde euch und dein herrliches Essen vermissen. So gut werde ich es niemals hin bekommen.“
Jean-Marie erhob sein Glas: „Liebe Emma, du weißt, wo du uns findest. Solltest du Hilfe brauchen, dann schreibe uns oder setze dich in den Zug. Darf ich sagen: auf ein baldiges Wiedersehen?“
Nun kribbelte es doch in Emmas Nase; jeden Moment würde sie weinen müssen. In ihrem Leben hatte es schon zu viele Abschiede gegeben und manche waren für immer gewesen, ohne dass sie es hatte ahnen können. Lebewohl zu sagen, machte ihr Angst.
„Ah non, nicht weinen. Es wird schon alles gut werden, eh? Du hast dieses schöne Haus, du hast Arbeit, du bist hübsch und jung ... was soll schon passieren?“ Jean-Marie lachte und Emma musste mitlachen.
„Frag deine Frau, was passieren kann. Tante Tinni hat Angst um mich.“
„Ah, sie denkt daran, was sie selbst tun würde, eh Chérie? Aber Emma, wirst du mit dem Geld hinkommen?“
„Eine Zeit lang schon. Ich werde versuchen, die oberen Zimmer wieder zu vermieten, vielleicht finde ich eine Mitbewohnerin. Hätten diese Studenten nicht einen solch verdrehten Sinn für Anstand, dann ginge es mir wunderbar. Mit einer jungen Frau unter einem Dach – nein, nein, gnädiges Fräulein, wir wollen doch ihren guten Ruf nicht schädigen, blablabla. Aber mich verhungern lassen ohne die Mieteinnahmen, das können sie mit ihrem Gewissen vereinen.“
„Ja, die hatten es eilig, hier aus zu ziehen. Wer weiß, was sie von dir befürchtet haben.“ Jean-Marie schüttelte den Kopf.
„Burschenschaftler!“ Christel schnaubte. „Dass du mir solche nicht ins Haus nimmst, Emma. Eine nette junge Frau, das wäre das Richtige. 40 Mark solltest du schon nehmen können, zusammen mit dem Geld von Lady Asquith und deinem Lohn würde das ausreichen. Gas und Strom haben wir schon für dich bezahlt – jaja, ist schon gut.“
Christel stand auf. „Wir brechen morgen sehr früh auf. Wir sollten zu Bett gehen. Kommst du, Jean?“

Als Emma im Bett lag, ließ sie die letzten Wochen noch einmal vorüber ziehen: der Brief ihres kranken Vaters, der Emma nach Bonn rief, sein Tod. Das Angebot Frau von Zanitz's, bei Dezière als Sekretärin zu arbeiten, ihre ersten Wochen dort, die neuen Kolleginnen, ihr Chef. Und nun? Ab morgen würde sie mit 23 Jahren zum ersten Mal auf sich allein gestellt sein. Sie freute sich. Keiner würde ihr vorschreiben, wann sie zu essen, was sie zu tragen oder wen sie zu kennen hätte. Natürlich hatte sie Angst, aber das würde sie vor ihren Verwandten nicht zugeben. Hätte sie gezaudert, so hätte Jean-Marie sie in seinen Schrankkoffer gepackt und nach Toulouse verfrachtet. Oder sie wäre zurück nach England gesandt worden. Nein, nun sollte ihr eigenes Leben anfangen. Morgen war Mittwoch und das Atelier hatte nachmittags geschlossen. Diesen freien Nachmittag wollte Emma nutzen, um sich die Haare endlich abschneiden zu lassen. Voller Vorfreude schlief Emma ein.

Sonntag, 26. August 2007

Prolog

Dunkelheit. Einsamkeit. Schmerz. Eine kühle Stimme: „Albert, hören Sie mich? Albert.“ Er wollte die Augen öffnen, wann immer er diese Stimme hörte. Sie war so nah; manchmal berührte eine Hand seinen Arm oder strich ihm über die Stirn. Er wollte das Dunkel verlassen, das ihn umgab.
„Albert. Ich weiß, Sie können mich hören. Strengen Sie sich an.“
Er konzentrierte sich: Öffne deine Augen! Öffne sie! Das Dunkel um ihn herum flackerte, als seine Lider sich langsam hoben. Es war hell, viel zu hell. Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie erneut.
„Oberschwester, er kommt zu sich.“
Er blinzelte, bis er sich an das Licht gewöhnt hatte. Er blickte in einen Kronleuchter, der einige Meter über ihm hing. Wo war er?
„Albert, können Sie mich sehen?“
Er wandte seinen Kopf. Eine junge Frau, blass, müde, in Schwesterntracht, beugte sich über ihn. Sie war schön. Ihr Anblick tat gut.
„Wer sind Sie?“
„Ich heiße Johanna. Sie sind zu Hause, in Bonn. Nicht ganz zu Hause“, sie lächelte, „im Lazarett.“
„Kronleuchter.“
„Ja. Erkennen Sie den Ort wieder? Wir sind in der Beethovenhalle.“
„Nett.“ Er sank tiefer in sein Kissen und glitt in einen erholsamen Schlaf hinüber. Er hörte ihre Stimme, das Klappern von Geschirr, das Stöhnen und Weinen der Verletzten und über allem das ansteigende Geheul von Sirenen.
„Fliegeralarm, Oberschwester.“
„Ich höre es, Schwester. Erledigen Sie Ihre Arbeit. Sie wissen doch, das hat nichts zu bedeuten.“


Das hat nichts zu bedeuten, dachte auch Charlotte Schumacher, als der Alarm losbrach. Es war ein klarer Tag, warm und sonnig. Sie freute sich, sie hatte die Zutaten für den Geburtstagskuchen aufgetrieben. Vor Tagen noch hatte Emma zwischen Leben und Tod geschwebt. Die Grippe hatte viele Tote gefordert, aber ihr Kind hatte überlebt. Die Liebe zu ihrer Tochter stieg warm in ihr auf, vor Freude lachte sie, mit Tränen in den Augen. Die Sirenen heulten. Kaum wahrnehmbar mischte sich ein Summen, ein Sirren ein. Dann ein Knattern und Knallen. Charlotte sah erschrocken auf: das strahlende Blau des Himmels wurde von weißen Wolken und grauen Schwaden durchzogen. Es donnerte, jemand schrie. Das Sirren kam näher, es schien die Luft in Wellen nach unten zu drücken. Wieder donnerte es, lauter noch, ein Krachen folgte, Staub wirbelte um Charlotte herum. Sie rannte auf das Gasthaus zu, weg von dem offenen Platz.
„Das sind die Tommies!!!“ drang eine Stimme an ihr Ohr. Aber das ist doch lächerlich. Engländer, mein Landsleute ... Eine Druckwelle rss Charlotte von ihren Füßen, presste sie auf die Pflastersteine. Sie hörte Schreie, Stöhnen, Weinen. Sie dachte an ihre Tochter, ihren Mann. Lächelte, einmal noch. So also endet es. Mit Schmerz. Einsamkeit. Dunkelheit.

Donnerstag, 16. August 2007

Blind dates und Blindgänger

Das ist vorerst das letzte Werk, Aufgabe 6 liegt noch vor mir. In Aufgabe 5 sollte ein eigenes Erlebnis in Form einer Beschreibung oder einer Erzählung verarbeitet werden; ich habe mich für die Beschreibung entschieden.

Blind Dates und Blindgänger

Muh und Kleine Hexe waren überzeugt, Maia und Caipi hoffnungsfroh: der Aussie ist der Richtige für Pauline. Mich überraschte diese Zuversicht; wie sollten vier Frauen, denen ich nie begegnet war, das wissen? Wir hatten uns im Liebesforum zusammen gefunden, um unsere Erfahrungen mit Internetdates auszutauschen. Die paar Jungs, die sich in unseren Thread wagten, verzogen sich schnell wieder – die Stimmung erschien ihnen latent männerfeindlich. Ein Mißverständnis, natürlich. Es war nur so, dass unter den vielen Männern, die wir durch das Internet getroffen hatten, wenige waren, die wir wiedersehen wollten.
Im September 2002 war ich – Pauline – die einzige, die aktiv war. Von mir erwartete die Clique Liveberichte. Davon angespornt lag ein Dating-Marathon vor mir: von Freitag- bis Montagabend hatte ich fünf Treffen vereinbart; Ort und Unternehmung des Dates hingen vom Eindruck ab, den die „Bewerber“ hinterlassen hatten.
Am Freitagabend startete ich mit Olaf, der vor kurzem nach Bonn gezogen war und Freunde finden wollte; wären hübsche Frauen darunter, so hätte er nichts dagegen. Wir entschieden uns für Kino und einen Rundgang durch die Innenstadt. Olaf war so locker, witzig und nett, wie ich ihn am Telefon kennen gelernt hatte. Wir verstanden uns prächtig, machten uns Komplimente und suchten unter den Passanten nach passenden Partnern für den anderen – der Mann fürs Leben war er nicht.
Am Samstagmorgen frühstückte ich mit einem acht Jahre jüngeren Versicherungsmakler, der nicht zu schüchtern war, mir seine Vorzüge zwischen Croissants und Brötchen aufzuzählen. Aber auch meine Persönlichkeit schätzte er hoch. Oder sollte ich sein gesäuseltes „Du bist aber auch ein knuspriges Stückchen“ falsch verstanden haben? Ich glaube nicht, denn nach seinem zweiten Glas Prosecco wollte er mir deutlich näher kommen. Ich verabschiedete mich kühl und fuhr nach Hause, im Geiste schon meinen Bericht für die Clique formulierend. Immerhin: die Mädels starteten lachend in ihr Wochenende.
Auf den Abend freute ich mich: Michael war gebildet, hatte einen trockenen Humor und eine angenehme Stimme. Den Nachmittag verbrachte ich damit, mich in eine Schönheit zu verwandeln. Wie immer zu früh, saß ich im ersten Stock des Bistros und wartete. An den Tischen mir gegenüber saßen zwei Frauen, die ebenfalls zu warten schienen. Nach einigen Minuten betrat ein gutaussehender Mann die Szene; alle drei lächelten wir einladend, während er auf einen anderen Mann zueilte, diesen umarmte und küsste. Gut, der war es nicht. Unbemerkt war ein magerer Mann aufgetaucht. Wäre vor ihm kein Adonis die Treppe hinauf gegangen, so hätten wir ihn nicht übersehen, denn so blass und unscheinbar er auch war, er hatte Geschmack. Nun ja, keinen guten, aber einen bunten. Royalblau das Hemd, ampelrot die Hose. Er stand am Treppenaufgang, blickte sich um – und eilte auf mich zu, einen Strauß Blumen aus dem Bahnhofsautomaten in der Hand. Ich hörte die beiden anderen Frauen erleichtert aufseufzen.
„Du bist viel schöner als auf dem Bild.“ Leider. Er drückte mir die Blumen in den Ausschnitt, verpasste mir einen nassen Kuss auf den Hals und setzte sich. Er zitierte, politisierte und erklärte mir die Welt. Offenbar hatte er mein fassungsloses Schweigen mißdeutet, denn als die Rechnung kam, meinte er: „Ich zahle das hier, du kannst ja noch mit zu mir kommen.“
Ja. Oder ich zahle selbst. Er blickte mir überrascht hinterher.
Am nächsten Morgen verzichtete ich auf Lippenstift und Kamm. Der nächste Kandidat durfte mich nur treffen, weil er nicht los zu werden war. Alles an ihm störte mich: sein Aussehen, seine Kleidung, sein Dialekt. Vor allem aber seine verzweifelte Suche nach einer Frau, irgendeiner Frau. Ich wollte ihm zeigen, dass wir nicht zueinander passten. Er wollte mir zeigen, dass wir zusammen gehörten. Was er auch sagte, ich widersprach. Was ich auch sagte, er stimmte zu. Ich war unhöflich, schnippisch, genervt. Er meinte, ich sei witzig, spontan, selbstbewußt. Ich sagte, er sei nicht mein Typ. Er versprach, er wolle sich ändern. Erst als ich behauptete, ich sei verheiratet und suche nach einer Affäre, erklärte er, ich sei unmoralisch und verließ mich. Drei Stunden hatte der Kampf gedauert, doch seine Anrufe blieben mir von nun an erspart.
Am Sonntagabend zog die Clique das Fazit: Aber morgen triffst du den Richtigen. Steve, den Australier, der, obwohl er Fleisch liebt, ein Thairestaurant aussucht, weil Pauline Vegetarierin ist. Der ein schnuckeliges Deutsch schreibt und spricht. Der nicht Paulines Typ ist, aber so sympathisch aussieht. Der die falsche Musik hört, aber gerne liest und originelle Komplimente macht.
Wie das Treffen mit Steve lief? Das ist eine andere Geschichte. Nur so viel: die vier Frauen, denen ich nie begegnet war, hatten recht.

Mittwoch, 15. August 2007

Algarve

Die dritte Aufgabe umfasste eine kurze Besprechung einer Fabel, eine Stilübung und eine kurze Beschreibung (~ eine Seite lang) eines Bildes: entweder Augsburger Rathausplatz oder Hotels an der Algarve. Zu beidem habe ich keine besondere Beziehung und so habe ich die Algarve OHNE Hotels gewählt.

"Meine liebste Kathi,
hier bin ich nun: nicht mehr in Paris oder Madrid, sondern in einem Dorf, das kaum jemand kennt. Ich nehme mich recht exotisch aus, blond, wie ich bin. Zudem bin ich alleine unterwegs – sie vermögen es kaum zu glauben; meine Wirtin fragt täglich nach meinem Mann, der doch wohl bald kommen müsse. Ich nicke und habe es aufgegeben, ihr von meinem freien Leben zu erzählen.
Warum ich hier verweile? Während ich an dich schreibe, sitze ich am Strand: um mich herum einige Kinder, die sich jagen, fangen und balgen, aber niemand, der mich überreden will zu Dingen, die ich nicht mag und derer ich mich erwehren muss. Der Sand schimmert in unendlich vielen Goldtönen, erhitzt von einer Sonne, die strahlender und stetiger ist als in unserem lieben Lübeck. Der Ozean rauscht mir in einem sich ständig ändernden Blau entgegen, welches dem Auge wie dem Gemüt wohltut. Zur Mittagszeit kannst du Himmel und Meer kaum mehr von einander unterscheiden, eines fließt in das andere. Hinter mir erheben sich schroffe Felsen, grün-duftig bewachsen, von deren Höhe du den Horizont überblickst.
Die Menschen wohnen in einfachen Häusern, die sich aneinander schmiegen und nur schmale, schattige Gassen hindurch lassen. Der Fischfang ernährt die meisten Bewohner dieses Dorfes; ermüdet und erschöpft kehren die Männer frühmorgens vom Meer zurück. Sie wünschen sich wohl manchmal ein bequemeres Leben und wer weiß, ob nicht eines Tages andere Fremde wie ich diese Küste entdecken werden? Vielleicht werden neben den dunklen Kindern auch blonde den Strand entlangjagen, werden Hamburger Kaufleute hier statt auf Norderney ihre Füße in den Sand graben und nach frischen Betten wie frischen Broten verlangen. Aber wäre ein solches Leben inmitten von Fremden, die bedient werden wollen, wirklich das bequemere? Ich vermag es nicht zu sagen ...
Nun aber treibt mich der Hunger heim. Sei umarmt von deiner

Charlotte Albufeira, Mai 1881

NB: Meine Wirtin hat einen Sohn, der in den nächsten Tagen zurück erwartet wird, um die hiesige Arztpraxis zu übernehmen. Ich bin neugierig, ihn zu sehen – auch er hat sein Leben in die eigene Hand genommen."

Sonntag, 12. August 2007

Äpfel und Abenteuer

Vorgegeben war ein Bild, auf dem ein Junge in einen Apfel beißt, dazu - wie immer Grundkurs immer - die Begrenzung auf 1800 Zeichen + - 10%. Das ist daraus geworden:

Lennart klopfte Ruben auf die Schulter: “Leg dich schlafen, ich übernehme.“
„Aye, Captain. Bin ordentlich müde nach der Nacht. Keine Spur von der „Maria“.
„Die kriegen wir schon.“ Lennart sah Ruben „Blackeye“ nach, wie er in der Kajüte verschwand, dann warf er einen prüfenden Blick in den Himmel. Es nieselte, die Sonne wurde immer wieder von Wolken verdeckt. Die Gischt spritzte hoch auf, als die „Great Ginger“ durch die Wellen schoss. Auf allen sieben Weltmeeren war sie der schnellste Dreimaster; ihre Besatzung war stolz auf sie. Die „Ginger“ war wieder auf Kaperfahrt. Es galt, die „Infanta Maria“ aufzubringen, die sich auf dem Weg nach Port Hidalgo befand. An Bord sollten sich kostbare Stoffe, seltene Gewürze und edler Schmuck befinden – die Aussteuer einer Prinzessin, die bald ihre Hochzeit feiern würde. Solche Waren würden auf den Märkten der Mittelmeerhäfen gutes Gold bringen.
Lennart atmete tief ein; er liebte den frühen Morgen an Deck, wenn ihm eine steife Brise die salzige See ins Gesicht sprühte. Das Steuer fest in der Hand, drehte er sich um: „Hey, Tom! Was kannst du erkennen?“
„Keine Fregatte in Sicht! Aber am Horizont braut sich was zusammen!“ rief Tom, „the monkey“ aus seinem Krähennest, dem Ausguck oben am höchsten Schiffsmast.
Mittlerweile war aus dem leichten Schauer ein kräftiger Regen geworden, trotz des frühen Vormittags verdunkelte sich der Himmel. Lennart zog die Stirn kraus und umgriff das Steuerrad fester. Was er sah, gefiel ihm nicht.
„Da!! Die „Maria“! Steuerbord, Captain!!“ Mit dem Fernrohr suchte der Schöne Leo genannte Lennart den Horizont ab. Ja, das war sie: groß und schwerfällig wie die meisten spanischen Schiffe.
„Alle Mann auf die Posten! Wir haben sie!!! Tom, haben sie uns schon gesehen? Können die Spanier noch entkommen?“
„Die haben noch nichts bemerkt, und weg können die auch nicht mehr!!! Die haben wir sicher!“
„Hisst die Flagge! Sie sollen wissen, mit wem sie es zu tun haben!“
Es würde nicht mehr lange dauern, dann wiederholte sich das immer gleiche Spiel: Die reich beladene Fregatte mochte sich mit ihren Waffen und Soldaten in Sicherheit wähnen. Wenn jedoch die „Ginger“ unvermutet am Horizont auftauchte, war es zu spät. Noch bevor die Crew die Kanonen in Stellung gebracht hatte, hatten die Piraten das Schiff geentert. Hatte der Schöne Leo dem parfümierten Fregattenkommandeur erst seinen Säbel unter das gepflegte Spitzbärtchen gehalten, so ergab sich die Mannschaft des besetzten Schiffes vor Angst bebend augenblicklich.
Voller Vorfreude und Erregung stand Lennart inmitten seiner Piraten an der Reling, die Enterhaken bereit zum Auswerfen, als beide Schiffe wieder auseinander getrieben wurden.
„Was zum Teufel?! Tom!!! Was ist los?“
„Der Orkan rast auf uns zu. Lass wenden, wir müssen so schnell es geht an Land!!!“
„Und die „Maria“ aufgeben?“ Lennart schlug mit der Faust auf die Reling. „Ist es wirklich so heftig?“
Tom hangelte sich die Sprossenleiter herunter. „Da oben schwankt es schon zu stark, ich konnte mich kaum noch halten. Wendemanöver einleiten?“
Noch bevor Lennart antworten konnte, schleuderte eine Sturmböe die Piraten auf die glitschig-nassen Planken; die „Ginger“ geriet in Schieflage. Riesige Wellen schlugen mit lautem Brausen über dem Schiff zusammen. Von einer Woge erfasst rutschte Tom auf die Reling zu. „Lennart!!!“ Im letzten Augenblick bekam Lennart Toms Bein zu fassen und zog ihn zurück. Die zwei Freibeuter schlitterten auf den Hauptmast zu und klammerten sich an ihm fest. „Du, das war knapp. Danke!“
„Schon klar, hättest du auch getan! Los, alle Mann unter Deck, bevor noch einer von euch dem Klabautermann begegnet! Ich komme nach!“ Damit rutschte Lennart zum Steuerrad, das er mit seinem Gürtel festband, bevor er Tom in die Kajüte folgte.
Ruben sah hoch. Er saß am Tisch vor dem Fenster und hatte die Wassertropfen beobachtet, die einer nach dem anderen über die Scheibe liefen. „Na, haste geträumt?“ Lennart knuffte seinen Freund in die Schulter. „Sieht nicht gut aus. Der Sturm da draußen wird die Segel zerfetzen und wer weiß, wo wir stranden.“
„Wir werden es schon schaffen. Haben wir immer. Hier!“ Ruben war aufgestanden und warf Lennart eine warme Decke zu, „wärm dich auch auf. “
„Danke“, rief Lennart. Er nahm sich einen Apfel vom Tisch, bevor er sich zu Tom in die Koje warf, „ich hab einen Mordshunger.“ Mit einem lauten Krachen biss er in die Frucht. Das tat gut.
Mittlerweile war es fast schwarz vor den Fenstern, der Regen trommelte ohrenbetäubend auf das schräge Dach. Die kleine Lampe auf dem Tisch warf ein warmes, gemütliches Licht in den Raum. Tom kuschelte sich tiefer in seine Decke und schnappte sich sein Schmuseferkel: „Gibt es noch was anderes als Äpfel?“
„Wart mal.“ Lennart sprang aus dem Bett, öffnete die Türe und brüllte in den Flur: „Mama, haben wir auch noch Chips?“

Samstag, 11. August 2007

Warum ich schreiben lernen will

Es mag für manch eine lächerlich klingen, eine Schreibschule zu absolvieren, aber es macht Spaß. Wann immer ein Arbeitsheft durchgearbeitet ist, macht man sich an seine Hausaufgabe, sendet sie ein und erhält etwa zehn Tage später die Korrektur zurück.
Und warum mache ich das? Das war die erste Aufgabe und so habe ich sie gelöst:

Ich sitze auf meinem Bett, in die Kissen gelehnt, das Notebook vor mir und grübele. Runzele meine Stirn, höre Vogeltriller durch das geöffnete Fenster - und weiß keine Antwort. Will ich schreiben lernen? Ja. Warum will ich es? Das weiß ich nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich genügend Phantasie, genügend Ehrgeiz oder auch nur einen Funken Talent habe. Von der nötigen Disziplin ganz zu schweigen.
Für mich ist das Schreiben nicht immer schon die einzig mögliche Ausdrucksform gewesen. Sicherlich habe auch ich einmal Tagebuch geführt – unregelmäßig, uninteressiert, mit dem Gefühl der Peinlichkeit. Natürlich war ich gut im Aufsatzschreiben, im Interpretieren, im Nacherzählen, bin in Schülerzeitungen abgedruckt worden. Aber so geht es wohl den meisten, die das Schreiben lernen wollen. Für mich kein Grund, an meine „Berufung“ zum Schriftsteller zu glauben.

Mein Wunsch, schreiben zu lernen, ist vielmehr aus meiner Leidenschaft für Bücher entstanden. Als ich vier Jahre alt war, habe ich das Lesen entdeckt. Meine Mutter betrieb einen kleinen Schreibwarenladen in der Bonner Innenstadt; mein Kindergarten war nur vormittags geöffnet. So saß ich nachmittags in dem kleinen Hinterraum des Geschäftes, malte, spielte mit meinen Puppen oder tippte wild auf der großen Schreibmaschine herum. Sobald meine Puppen mich langweilten, griff ich nach den reichlich vorhandenen Comics, in denen von Bussibär, Fix und Foxi und Donald erzählt wurde.
Wann immer sie Zeit hatte, las meine Mutter mir daraus vor und bald konnte ich „Knall“ von „Peng“ unterscheiden. Ein geschriebenes Wort war kein Geheimnis mehr für mich. Ich konnte, mühsam und stockend zwar, lesen. Den Großteil des Nachmittags saß ich in meiner mit Kissen eingerichteten Kuschelecke, stapelte Puppen, Kekse, Saft und Bonbons um mich herum und las. Nachdem meine Mutter merkte, dass ich wirklich alles las, was im Angebot war, durfte ich immer wieder einmal mit fünf Mark in der Rocktasche bis zum Buchhändler an der Ecke gehen, um mir ein Kinderbuch zu kaufen. Eines der ersten Bücher war „Die Reise zu den Sternenhexen“, bis heute unvergessen.

Mit 12 Jahren notierte ich in mein Tagebuch: „Das Gute ist: ich besitze genau 350 Bücher. Mist ist: Das Regal ist eben von der Wand gefallen.“

Schon zwei Jahre später war ich der Kinderliteratur entwachsen und auf der Suche nach Büchern, die mich länger fesselten, die komplexer, spannender, anders waren. Ich wusste nicht so recht weiter, bis eine australisch-britische BBC-Serie in den dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Ich besaß einen eigenen – sehr kleinen, sehr alten – Fernseher, so dass ich mich nicht mit Eltern und Bruder um das Programm streiten musste. Wer weiß, ob ich sonst jemals Jane Austen entdeckt hätte? Denn bei der Serie handelte es sich um „Stolz und Vorurteil“. Ich fieberte mit, jubelte insgeheim bei Lizzies scharfzüngigen Repliken. Und achtete zu Beginn der dritten Folge auf den Namen der Autorin, der mir nichts sagte.
Am nächsten Tag nach Schulschluss fuhr ich in die Stadt, rannte in die Buchhandlung, blätterte das Gesamtverzeichnis durch und fand, was ich suchte. Aber ein Reclambuch? Die waren so ... gelb, hässlich und meistens voll mit langweiliger, moderner Literatur, die in Klausuren tot interpretiert werden musste. Ich war enttäuscht, suchte mir das Buch aber dennoch heraus. Ich las die erste Seite, blätterte dann zum Nachwort und stutzte: Vor fast 200 Jahren wurde „Stolz und Vorurteil“ geschrieben? War „so was Gammeliges“ denn überhaupt lesbar für eine Vierzehnjährige? Offenbar schon, denn als ich eine halbe Stunde später aus dem Bus stieg, hatte ich die ersten 11 Kapitel verschlungen. Dieses Buch war mein Urknall und genau diese Ausgabe, zerfleddert, schmutzig und zerlesen, habe ich heute noch in meinem Schrank stehen. Sie darf so aussehen, denn ich habe sie seit dem Kauf gute 50 Mal gelesen ...

Mittlerweile habe ich einen Bücherschrank, der voll gestopft ist mit nach Erscheinungsjahr sortierten Klassikern, alphabetisch eingeräumten Krimis und englischer Chick Lit, farblich geordneten Biographien, Erinnerungen und Briefen, gestapelten Kinderbüchern. Um moderne Literatur nach 1935 mache ich einen großen Bogen; sie liegt mir nicht. Damit bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich entweder meine Bücher immer und immer wieder lese (was ich tue). Oder aber mich selber am Geschichten erzählen versuchen muss. Dazu muss ich lernen:
Lernen, meine Gedanken zu ordnen und meine Ideen auszuarbeiten.
Lernen, meinen eigenen Stil zu finden.
Lernen, mich deutlich auszudrücken.
Lernen, diszipliniert zu arbeiten.
Lernen, den Leser mitzunehmen in eine Welt, die nicht seine alltägliche ist.
Lernen, mich nicht zu schämen, wenn ich etwas Eigenes vorzeige.
Vieles mehr, von dem ich noch nichts weiß.

Warum ich schreiben lernen WILL? Ich will es eben. Punkt.

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Ich bin Bonnerin, habe auf einem sowjetischem Schiff, im Schwarzwald und auf Norderney gearbeitet, einen Australier geheiratet, zwei tolle Söhne bekommen und bin dem Stricken und Nähen verfallen.

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