Algarve
Die dritte Aufgabe umfasste eine kurze Besprechung einer Fabel, eine Stilübung und eine kurze Beschreibung (~ eine Seite lang) eines Bildes: entweder Augsburger Rathausplatz oder Hotels an der Algarve. Zu beidem habe ich keine besondere Beziehung und so habe ich die Algarve OHNE Hotels gewählt.
"Meine liebste Kathi,
hier bin ich nun: nicht mehr in Paris oder Madrid, sondern in einem Dorf, das kaum jemand kennt. Ich nehme mich recht exotisch aus, blond, wie ich bin. Zudem bin ich alleine unterwegs – sie vermögen es kaum zu glauben; meine Wirtin fragt täglich nach meinem Mann, der doch wohl bald kommen müsse. Ich nicke und habe es aufgegeben, ihr von meinem freien Leben zu erzählen.
Warum ich hier verweile? Während ich an dich schreibe, sitze ich am Strand: um mich herum einige Kinder, die sich jagen, fangen und balgen, aber niemand, der mich überreden will zu Dingen, die ich nicht mag und derer ich mich erwehren muss. Der Sand schimmert in unendlich vielen Goldtönen, erhitzt von einer Sonne, die strahlender und stetiger ist als in unserem lieben Lübeck. Der Ozean rauscht mir in einem sich ständig ändernden Blau entgegen, welches dem Auge wie dem Gemüt wohltut. Zur Mittagszeit kannst du Himmel und Meer kaum mehr von einander unterscheiden, eines fließt in das andere. Hinter mir erheben sich schroffe Felsen, grün-duftig bewachsen, von deren Höhe du den Horizont überblickst.
Die Menschen wohnen in einfachen Häusern, die sich aneinander schmiegen und nur schmale, schattige Gassen hindurch lassen. Der Fischfang ernährt die meisten Bewohner dieses Dorfes; ermüdet und erschöpft kehren die Männer frühmorgens vom Meer zurück. Sie wünschen sich wohl manchmal ein bequemeres Leben und wer weiß, ob nicht eines Tages andere Fremde wie ich diese Küste entdecken werden? Vielleicht werden neben den dunklen Kindern auch blonde den Strand entlangjagen, werden Hamburger Kaufleute hier statt auf Norderney ihre Füße in den Sand graben und nach frischen Betten wie frischen Broten verlangen. Aber wäre ein solches Leben inmitten von Fremden, die bedient werden wollen, wirklich das bequemere? Ich vermag es nicht zu sagen ...
Nun aber treibt mich der Hunger heim. Sei umarmt von deiner
Charlotte Albufeira, Mai 1881
NB: Meine Wirtin hat einen Sohn, der in den nächsten Tagen zurück erwartet wird, um die hiesige Arztpraxis zu übernehmen. Ich bin neugierig, ihn zu sehen – auch er hat sein Leben in die eigene Hand genommen."
"Meine liebste Kathi,
hier bin ich nun: nicht mehr in Paris oder Madrid, sondern in einem Dorf, das kaum jemand kennt. Ich nehme mich recht exotisch aus, blond, wie ich bin. Zudem bin ich alleine unterwegs – sie vermögen es kaum zu glauben; meine Wirtin fragt täglich nach meinem Mann, der doch wohl bald kommen müsse. Ich nicke und habe es aufgegeben, ihr von meinem freien Leben zu erzählen.
Warum ich hier verweile? Während ich an dich schreibe, sitze ich am Strand: um mich herum einige Kinder, die sich jagen, fangen und balgen, aber niemand, der mich überreden will zu Dingen, die ich nicht mag und derer ich mich erwehren muss. Der Sand schimmert in unendlich vielen Goldtönen, erhitzt von einer Sonne, die strahlender und stetiger ist als in unserem lieben Lübeck. Der Ozean rauscht mir in einem sich ständig ändernden Blau entgegen, welches dem Auge wie dem Gemüt wohltut. Zur Mittagszeit kannst du Himmel und Meer kaum mehr von einander unterscheiden, eines fließt in das andere. Hinter mir erheben sich schroffe Felsen, grün-duftig bewachsen, von deren Höhe du den Horizont überblickst.
Die Menschen wohnen in einfachen Häusern, die sich aneinander schmiegen und nur schmale, schattige Gassen hindurch lassen. Der Fischfang ernährt die meisten Bewohner dieses Dorfes; ermüdet und erschöpft kehren die Männer frühmorgens vom Meer zurück. Sie wünschen sich wohl manchmal ein bequemeres Leben und wer weiß, ob nicht eines Tages andere Fremde wie ich diese Küste entdecken werden? Vielleicht werden neben den dunklen Kindern auch blonde den Strand entlangjagen, werden Hamburger Kaufleute hier statt auf Norderney ihre Füße in den Sand graben und nach frischen Betten wie frischen Broten verlangen. Aber wäre ein solches Leben inmitten von Fremden, die bedient werden wollen, wirklich das bequemere? Ich vermag es nicht zu sagen ...
Nun aber treibt mich der Hunger heim. Sei umarmt von deiner
Charlotte Albufeira, Mai 1881
NB: Meine Wirtin hat einen Sohn, der in den nächsten Tagen zurück erwartet wird, um die hiesige Arztpraxis zu übernehmen. Ich bin neugierig, ihn zu sehen – auch er hat sein Leben in die eigene Hand genommen."
michou - 15. Aug, 14:27