Warum ich schreiben lernen will
Es mag für manch eine lächerlich klingen, eine Schreibschule zu absolvieren, aber es macht Spaß. Wann immer ein Arbeitsheft durchgearbeitet ist, macht man sich an seine Hausaufgabe, sendet sie ein und erhält etwa zehn Tage später die Korrektur zurück.
Und warum mache ich das? Das war die erste Aufgabe und so habe ich sie gelöst:
Ich sitze auf meinem Bett, in die Kissen gelehnt, das Notebook vor mir und grübele. Runzele meine Stirn, höre Vogeltriller durch das geöffnete Fenster - und weiß keine Antwort. Will ich schreiben lernen? Ja. Warum will ich es? Das weiß ich nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich genügend Phantasie, genügend Ehrgeiz oder auch nur einen Funken Talent habe. Von der nötigen Disziplin ganz zu schweigen.
Für mich ist das Schreiben nicht immer schon die einzig mögliche Ausdrucksform gewesen. Sicherlich habe auch ich einmal Tagebuch geführt – unregelmäßig, uninteressiert, mit dem Gefühl der Peinlichkeit. Natürlich war ich gut im Aufsatzschreiben, im Interpretieren, im Nacherzählen, bin in Schülerzeitungen abgedruckt worden. Aber so geht es wohl den meisten, die das Schreiben lernen wollen. Für mich kein Grund, an meine „Berufung“ zum Schriftsteller zu glauben.
Mein Wunsch, schreiben zu lernen, ist vielmehr aus meiner Leidenschaft für Bücher entstanden. Als ich vier Jahre alt war, habe ich das Lesen entdeckt. Meine Mutter betrieb einen kleinen Schreibwarenladen in der Bonner Innenstadt; mein Kindergarten war nur vormittags geöffnet. So saß ich nachmittags in dem kleinen Hinterraum des Geschäftes, malte, spielte mit meinen Puppen oder tippte wild auf der großen Schreibmaschine herum. Sobald meine Puppen mich langweilten, griff ich nach den reichlich vorhandenen Comics, in denen von Bussibär, Fix und Foxi und Donald erzählt wurde.
Wann immer sie Zeit hatte, las meine Mutter mir daraus vor und bald konnte ich „Knall“ von „Peng“ unterscheiden. Ein geschriebenes Wort war kein Geheimnis mehr für mich. Ich konnte, mühsam und stockend zwar, lesen. Den Großteil des Nachmittags saß ich in meiner mit Kissen eingerichteten Kuschelecke, stapelte Puppen, Kekse, Saft und Bonbons um mich herum und las. Nachdem meine Mutter merkte, dass ich wirklich alles las, was im Angebot war, durfte ich immer wieder einmal mit fünf Mark in der Rocktasche bis zum Buchhändler an der Ecke gehen, um mir ein Kinderbuch zu kaufen. Eines der ersten Bücher war „Die Reise zu den Sternenhexen“, bis heute unvergessen.
Mit 12 Jahren notierte ich in mein Tagebuch: „Das Gute ist: ich besitze genau 350 Bücher. Mist ist: Das Regal ist eben von der Wand gefallen.“
Schon zwei Jahre später war ich der Kinderliteratur entwachsen und auf der Suche nach Büchern, die mich länger fesselten, die komplexer, spannender, anders waren. Ich wusste nicht so recht weiter, bis eine australisch-britische BBC-Serie in den dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Ich besaß einen eigenen – sehr kleinen, sehr alten – Fernseher, so dass ich mich nicht mit Eltern und Bruder um das Programm streiten musste. Wer weiß, ob ich sonst jemals Jane Austen entdeckt hätte? Denn bei der Serie handelte es sich um „Stolz und Vorurteil“. Ich fieberte mit, jubelte insgeheim bei Lizzies scharfzüngigen Repliken. Und achtete zu Beginn der dritten Folge auf den Namen der Autorin, der mir nichts sagte.
Am nächsten Tag nach Schulschluss fuhr ich in die Stadt, rannte in die Buchhandlung, blätterte das Gesamtverzeichnis durch und fand, was ich suchte. Aber ein Reclambuch? Die waren so ... gelb, hässlich und meistens voll mit langweiliger, moderner Literatur, die in Klausuren tot interpretiert werden musste. Ich war enttäuscht, suchte mir das Buch aber dennoch heraus. Ich las die erste Seite, blätterte dann zum Nachwort und stutzte: Vor fast 200 Jahren wurde „Stolz und Vorurteil“ geschrieben? War „so was Gammeliges“ denn überhaupt lesbar für eine Vierzehnjährige? Offenbar schon, denn als ich eine halbe Stunde später aus dem Bus stieg, hatte ich die ersten 11 Kapitel verschlungen. Dieses Buch war mein Urknall und genau diese Ausgabe, zerfleddert, schmutzig und zerlesen, habe ich heute noch in meinem Schrank stehen. Sie darf so aussehen, denn ich habe sie seit dem Kauf gute 50 Mal gelesen ...
Mittlerweile habe ich einen Bücherschrank, der voll gestopft ist mit nach Erscheinungsjahr sortierten Klassikern, alphabetisch eingeräumten Krimis und englischer Chick Lit, farblich geordneten Biographien, Erinnerungen und Briefen, gestapelten Kinderbüchern. Um moderne Literatur nach 1935 mache ich einen großen Bogen; sie liegt mir nicht. Damit bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich entweder meine Bücher immer und immer wieder lese (was ich tue). Oder aber mich selber am Geschichten erzählen versuchen muss. Dazu muss ich lernen:
Lernen, meine Gedanken zu ordnen und meine Ideen auszuarbeiten.
Lernen, meinen eigenen Stil zu finden.
Lernen, mich deutlich auszudrücken.
Lernen, diszipliniert zu arbeiten.
Lernen, den Leser mitzunehmen in eine Welt, die nicht seine alltägliche ist.
Lernen, mich nicht zu schämen, wenn ich etwas Eigenes vorzeige.
Vieles mehr, von dem ich noch nichts weiß.
Warum ich schreiben lernen WILL? Ich will es eben. Punkt.
Und warum mache ich das? Das war die erste Aufgabe und so habe ich sie gelöst:
Ich sitze auf meinem Bett, in die Kissen gelehnt, das Notebook vor mir und grübele. Runzele meine Stirn, höre Vogeltriller durch das geöffnete Fenster - und weiß keine Antwort. Will ich schreiben lernen? Ja. Warum will ich es? Das weiß ich nicht. Ich bin nicht sicher, ob ich genügend Phantasie, genügend Ehrgeiz oder auch nur einen Funken Talent habe. Von der nötigen Disziplin ganz zu schweigen.
Für mich ist das Schreiben nicht immer schon die einzig mögliche Ausdrucksform gewesen. Sicherlich habe auch ich einmal Tagebuch geführt – unregelmäßig, uninteressiert, mit dem Gefühl der Peinlichkeit. Natürlich war ich gut im Aufsatzschreiben, im Interpretieren, im Nacherzählen, bin in Schülerzeitungen abgedruckt worden. Aber so geht es wohl den meisten, die das Schreiben lernen wollen. Für mich kein Grund, an meine „Berufung“ zum Schriftsteller zu glauben.
Mein Wunsch, schreiben zu lernen, ist vielmehr aus meiner Leidenschaft für Bücher entstanden. Als ich vier Jahre alt war, habe ich das Lesen entdeckt. Meine Mutter betrieb einen kleinen Schreibwarenladen in der Bonner Innenstadt; mein Kindergarten war nur vormittags geöffnet. So saß ich nachmittags in dem kleinen Hinterraum des Geschäftes, malte, spielte mit meinen Puppen oder tippte wild auf der großen Schreibmaschine herum. Sobald meine Puppen mich langweilten, griff ich nach den reichlich vorhandenen Comics, in denen von Bussibär, Fix und Foxi und Donald erzählt wurde.
Wann immer sie Zeit hatte, las meine Mutter mir daraus vor und bald konnte ich „Knall“ von „Peng“ unterscheiden. Ein geschriebenes Wort war kein Geheimnis mehr für mich. Ich konnte, mühsam und stockend zwar, lesen. Den Großteil des Nachmittags saß ich in meiner mit Kissen eingerichteten Kuschelecke, stapelte Puppen, Kekse, Saft und Bonbons um mich herum und las. Nachdem meine Mutter merkte, dass ich wirklich alles las, was im Angebot war, durfte ich immer wieder einmal mit fünf Mark in der Rocktasche bis zum Buchhändler an der Ecke gehen, um mir ein Kinderbuch zu kaufen. Eines der ersten Bücher war „Die Reise zu den Sternenhexen“, bis heute unvergessen.
Mit 12 Jahren notierte ich in mein Tagebuch: „Das Gute ist: ich besitze genau 350 Bücher. Mist ist: Das Regal ist eben von der Wand gefallen.“
Schon zwei Jahre später war ich der Kinderliteratur entwachsen und auf der Suche nach Büchern, die mich länger fesselten, die komplexer, spannender, anders waren. Ich wusste nicht so recht weiter, bis eine australisch-britische BBC-Serie in den dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Ich besaß einen eigenen – sehr kleinen, sehr alten – Fernseher, so dass ich mich nicht mit Eltern und Bruder um das Programm streiten musste. Wer weiß, ob ich sonst jemals Jane Austen entdeckt hätte? Denn bei der Serie handelte es sich um „Stolz und Vorurteil“. Ich fieberte mit, jubelte insgeheim bei Lizzies scharfzüngigen Repliken. Und achtete zu Beginn der dritten Folge auf den Namen der Autorin, der mir nichts sagte.
Am nächsten Tag nach Schulschluss fuhr ich in die Stadt, rannte in die Buchhandlung, blätterte das Gesamtverzeichnis durch und fand, was ich suchte. Aber ein Reclambuch? Die waren so ... gelb, hässlich und meistens voll mit langweiliger, moderner Literatur, die in Klausuren tot interpretiert werden musste. Ich war enttäuscht, suchte mir das Buch aber dennoch heraus. Ich las die erste Seite, blätterte dann zum Nachwort und stutzte: Vor fast 200 Jahren wurde „Stolz und Vorurteil“ geschrieben? War „so was Gammeliges“ denn überhaupt lesbar für eine Vierzehnjährige? Offenbar schon, denn als ich eine halbe Stunde später aus dem Bus stieg, hatte ich die ersten 11 Kapitel verschlungen. Dieses Buch war mein Urknall und genau diese Ausgabe, zerfleddert, schmutzig und zerlesen, habe ich heute noch in meinem Schrank stehen. Sie darf so aussehen, denn ich habe sie seit dem Kauf gute 50 Mal gelesen ...
Mittlerweile habe ich einen Bücherschrank, der voll gestopft ist mit nach Erscheinungsjahr sortierten Klassikern, alphabetisch eingeräumten Krimis und englischer Chick Lit, farblich geordneten Biographien, Erinnerungen und Briefen, gestapelten Kinderbüchern. Um moderne Literatur nach 1935 mache ich einen großen Bogen; sie liegt mir nicht. Damit bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich entweder meine Bücher immer und immer wieder lese (was ich tue). Oder aber mich selber am Geschichten erzählen versuchen muss. Dazu muss ich lernen:
Lernen, meine Gedanken zu ordnen und meine Ideen auszuarbeiten.
Lernen, meinen eigenen Stil zu finden.
Lernen, mich deutlich auszudrücken.
Lernen, diszipliniert zu arbeiten.
Lernen, den Leser mitzunehmen in eine Welt, die nicht seine alltägliche ist.
Lernen, mich nicht zu schämen, wenn ich etwas Eigenes vorzeige.
Vieles mehr, von dem ich noch nichts weiß.
Warum ich schreiben lernen WILL? Ich will es eben. Punkt.
michou - 11. Aug, 09:57